Dieser Artikel dokumentiert, wie versucht wird, unschöne Berichte aus den Google Ergebnissen zu entfernen. Wir zeigen, dass unethische Methoden (Negative SEO) in der Schweiz bereits eingesetzt werden. Und zwar erfolgreich gegen eine Authority-Seite, in diesem Beispiel gegen das Schweizer Fernsehen.
Kürzlich ist mir folgendes Suchergebnis auf google.ch aufgefallen. Man beachte die Ergebnisse im unteren Bereich. (Datum: 07.06.2013)
Ich bin darauf gestossen, als ich Backlinkprofile von Konkurrenten unserer Kunden analysiert habe. Dabei ist mir eine Serie von merkwürdigen Blogs aufgefallen. Die Blogs, welche zu unserer Konkurrenz linkten, linkten alle mit dem Linktext „Autohaus S….“ zu diversen Domains, welche im Screenshot angezeichnet sind. Mit diesem Linkaufbau soll Google suggeriert werden, dass zu diesem Keyword die angezeichneten Domains auch relevante Ergebnisse sind, und nicht nur die offizielle Webseite dieses Unternehmens.
Kurz einige Hintergrundinfos zu Reputationsmanagement
Dieses Vorgehen setzt man oft ein, wenn es um Reputations-Management bei den Suchergebnissen in Google geht. Durch gezieltes manipulieren der Suchergebnisse sollen unerwünschte Ergebnisse in Google nach hinten verdrängt werden, damit sie nicht mehr auf der ersten Seite auffindbar sind. Es ist für ein Unternehmen natürlich unschön, wenn bei der Google-Suche nach dem Unternehmen unterhalb des eigenen Firmeneintrags negative Erfahrungsberichte angezeigt werden.
Die Fakten über das Vorgehen in diesem Falle
Ein kurzer Blick auf die zweite Seite von Google zeigt, dass der Kassensturz-Beitrag http://www.srf.ch/konsum/themen/konsum/autohandel-gemeine-geschaefte-eines-garagisten das Dorn im Auge gewesen sein könnte. Als Hinweis für Schweiz-Unkundige: Bei srf.ch handelt es sich um das Schweizer Fernsehen. Die Domain ist sehr gut verlinkt (über 8‘000 Domains linken auf srf.ch) und besitzt eine sehr hohe Autorität.
Aktuell liegt der Kassensturz-Beitrag auf Platz 15 (weit unten auf der zweite Seite, die erste Seite hat bei „Brand-Suchen“ nur sieben organische Suchergebnisse) von google.ch bei der Suche nach dem erwähnten Autohändler.
In diesem Falle wurde folgendes Vorgehen gewählt:
- Mehrere ähnliche Domains reservieren, aufsetzen und untereinander verlinken.
- „Gute“ Links auf alle diese ähnliche Domains linken lassen mit dem Firmennamen als Linktext.
- Einige bekannte Seiten (z.B. ein bekanntes Autoportal) ebenfalls mit dem gleichen Linktext verlinken.
- Das unerwünschte Ergebnis verschwindet von der ersten Seite bei Google, resp. wird von den anderen Domains überholt, welche durch die Links gestärkt wurden.
Das Vorgehen erscheint mir sehr aufwändig, auch ist es meiner Meinung nach nicht nötig, die Seiten so komplex miteinander zu verweben. Dies aber nur nebenbei.
Die Links von den erwähnten „merkwürdigen Blogs“ wurden allesamt Ende Oktober bis ca. Mitte November 2012 gesetzt, sofern die Datierung auf diesen Blogs stimmt.
Hier die erste Ranking-Entwicklung des Keywords von srf.ch. Die Daten stammen aus Sistrix.
Der Artikel des Schweizer Fernsehens bewegt sich seit Anfang 2012 immer zwischen Rang 3 und 7. Es ist kein Effekt bemerkbar.
2013 sieht man erste mögliche Auswirkungen der gesetzten Links:
Durch den Domainwechsel des Schweizer Fernsehens von sf.tv auf srf.ch wurde die Historie Ende Dezember bis Mitte Januar leider unterbrochen. Es wurden nicht alle Unterseiten sauber weitergeleitet, wodurch die Rankings zwischenzeitlich wohl ganz verloren gingen.
Im Februar 2012 wurde der Artikel des Schweizer Fernsehens auf die zweite Seite von google.ch gedrängt, kam aber im März sofort zurück und pendelte sich auf den Plätzen 5 bis 7 wieder ein. Das Vorgehen schien zuerst nicht zu funktionieren, aber ab Mai 2013 stürzte SRF abrupt auf die dritte Seite von google.ch ab. (Anmerkung: Vor Pinguin Update 2)
Es wird unsportlich, um einen bekannten Online-Marketeer zu zitieren. 🙂
Mein erster Gedanke: Ok, vermutlich hat es nicht funktioniert, die beauftragte Agentur hat einfach weitere Links organisiert, um das Ziel zu erreichen. So ein plötzlicher Abstieg würde allerdings bedeuten, dass zeitgleich ein gutes Dutzend anderer Seiten den SRF-Beitrag überholt hätten? Wäre ein sehr grosser Zufall. Wurde ein Strategiewechsel vorgenommen?
Ohne grosse Erwartungen (die Neugierde siegt immer) sah ich mir die Backlinks des SRF-TV Artikels an.
Damit ist diese Seite übrigens nach der Homepage von srf.ch die am stärksten verlinkte Seite! Der Entdeckungszeitraum der Backlinks:
Wow! 456 Linking Domains! Gut 5% aller Referring Domains von srf.ch! Fast alle wurden innerhalb einer Woche (Peak am 17/18 April 2013) von MajesticSEO entdeckt, zwei Wochen später ist der Beitrag in Google abgestürzt! Ein klarer Fall von Negative SEO? SEO ist die Abkürzung von Suchmaschinenoptimierung. Negative SEO bedeutet folglich umgekehrte Suchmaschinenoptimierung. Eine gute und ausführlichere Erklärung von Negative SEO finden Sie hier bei t3n.de. Erwartungsfroh schaute ich nun die Linktexte an:
43% der Links sind mit einem Linktext versehen, den ich nicht in unserem Firmenblog erwähnen möchte… Somit liegt in meinen Augen ein klarer Fall von Negative SEO vor!
Negative SEO also auch gegen High-Authority Domains möglich?
Dass Reputation Management betrieben wird, finde ich normal. Es überrascht mich nicht, dass jemand zu solchen Mitteln greift, um ein Problem aus der Welt zu schaffen. Mich schockiert aber, dass eine Seite von einer so reputablen Domain wie srf.ch in Googles Suchergebnissen so einfach „abgeschossen“ werden kann! Ich schätze dafür war eine Investition von Maximal 200 CHF (ca 160 €) nötig, um mit der Schätzung auf der sicheren Seite zu bleiben. Ich lese mit grossem Interesse so ziemlich alles über Negative SEO-Angriffe und musste leider auch schon solche als Opfer erleben, wodurch wir auch eine schöne Stange Geld verloren haben. Einen negativen Einfluss hatten die Attacken bei meinen Beobachtungen bisher aber nur bei „kleineren Webseiten“, welche in den Augen von Google keine starken Autoritäten sind. Die Webseite des Schweizer Radio und Fernsehens ist definitiv eine Autorität! Gemäss MajesticSEO hat srf.ch einen Trustflow von 68 und ist damit fast auf Augenhöhe mit der Neuen Zürcher Zeitung (71) oder der Frankfurter Allgemeinen (71).
Die Rankings dieses Falles werde ich in Zukunft beobachten. Es wird spannend zu sehen sein, ob sich der SRF-Artikel von der Attacke erholt oder nicht. Die Domain srf.ch als Ganzes entwickelt sich gemäss Sistrix weiterhin prächtig, die Links scheinen keine Auswirkungen auf die ganze Domain gehabt zu haben. Immerhin eine gute Nachricht.
Es wäre super-spannend, nun mit dem Disavow-Tool zu arbeiten und die ganzen SPAM-Links damit zu entwerten. Falls jemand vom Schweizer Fernsehen mitliest, wir helfen natürlich gerne mit. 😉
Wir haben damit bei einigen Projekten die ursprünglichen Rankings teilweise wieder herstellen können. Es gelingt leider nicht immer, vor allem wenn der Konkurrent in unregelmässigen Abständen immer wieder neue Links nachballert.
Fazit
Ich finde es bedenklich, mit wie wenig Aufwand einzelne Seiten aus Googles Ergebnissen geschleudert werden können. Die Pinguin Updates von Google haben berechtigterweise mit vielen Praktiken aufgeräumt, aber offensichtlich auch ein Tor für neue, dunkle Geschäftsfelder eröffnet. Es sieht so aus, als nähme Google solche Kollateralschäden einfach in Kauf.
[box type=»info» style=»rounded» icon=»»]Es gibt dutzende Agenturen, die sich auf Negativ-SEO spezialisiert haben. Sie gibt es beispielsweise nette Pakete namens „Supernova Blast“ (2 Millionen Links für 450 USD) oder „Earthquake“ (250‘000 Links für 100 USD).[/box]
Google weicht ständig aus, wenn Fragen nach Negative SEO gestellt werden. We do our best and work really hard to prevent this from happening ist eine übliche Antwort auf diese Frage. Ich persönlich hege die leise Hoffnung, dass mit den nächsten Pinguin-Updates vermehrt auch ein Auge auf diese Problematik geworfen wird. Solange scheint das Tor für negativ-Attacken auf einzelne Seiten offen zu sein.
[box type=»alert» style=»rounded»]Zum Autohändler habe ich keinen Bezug. Es ist nachvollziehbar, dass SEO-Unkundige, jemand damit beauftragen könnten, das lästige Ergebnis einfach aus Google „verschwinden zu lassen“. Bedenklich ist, dass offenbar ausser Kontrolle geraten ist, welches Vorgehen gewählt wurde. Das Vorgehen kann auch rechtliche Folgen nach sich ziehen. Den Firmennamen erwähne ich absichtlich nicht im Text. Ich möchte nicht, dass dieser Blogpost plötzlich für den Firmennamen beginnt zu ranken, ihr versteht… 😉
Im Artikel behaupte ich nicht, dass der Autohändler die Negativ SEO Attacke in Auftrag gegeben hat. Auch die Agentur, welche für den ersten Teils der Arbeit (nicht schwierig herauszufinden) zuständig war, muss nicht zwingend hinter diesen Angriffen stehen. Die Zeit zwischen Oktober 2012 und April 2013 ist doch relativ lang…[/box]